Schiffsrecycling in Südasien ist seit Jahren Gegenstand kritischer Dokumentationen und Medienberichte. Auf Stränden in Ländern wie Bangladesch, Indien und Pakistan werden ausgemusterte Schiffe aufgesetzt („beaching“) und unter unzureichenden Sicherheits- und Umweltstandards zerlegt. Die Folgen sind gravierend, denn regelmäßig kommt es zu tödlichen Arbeitsunfällen, und Schadstoffe gelangen unkontrolliert in den Boden und das Meer.
Mit der 2025 in Kraft getretenen Hongkong-Konvention soll dieser globalen Problemlage nun begegnet werden. Die Konvention verpflichtet die Recyclingfirmen und die Schiffseigner, darunter viele aus Europa, zu mehr Verantwortung und Transparenz. Ziel ist es, international höhere Sicherheitsstandards durchzusetzen und sowohl Umwelt als auch Beschäftigte besser zu schützen.
Gleichzeitig entstehen in Europa, und insbesondere in Deutschland, neue Bestrebungen, Schiffsrecycling wieder stärker im eigenen Land anzusiedeln. Ein wesentlicher Treiber hierfür ist die strategische Bedeutung der Ressource Stahl. Recycelter Stahl ermöglicht Einsparungen von rund 80–90 % der Emissionen im Vergleich zur Primärproduktion und könnte somit einen großen Beitrag zur Erreichung der nationalen Klimaziele bis 2030 leisten.
Durch Schiffsrecycling könnten also einerseits wertvolle sekundäre Rohstoffe wie Stahl langfristig verfügbar gehalten und Lieferabhängigkeiten reduziert werden. Andererseits würde eine emissionsarme Stahlproduktion einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Schiffsrecycling gewinnt somit sowohl aus ökologischer als auch aus wirtschaftlicher Perspektive an Relevanz und wirft die zentrale Frage auf, ob eine stärker regional verankerte Kreislaufwirtschaft im Schiffbau eine nachhaltige Option für Deutschland darstellen kann, oder ob deutsches Schiffsrecycling in der weltweiten Konkurrenz nicht standhalten kann. Denn während Schiffseigner in Südasien viel Geld für ihre Schiffe erhalten, müssen sie aktuell in Europa dafür bezahlen, dass ihre Schiffe nachhaltig entsorgt werden.

